Im Jahr 1999 erschien eines der wohl epochalsten Alben aller Zeiten. Jimmy Eat World krönten sich mit ihrer Klarheit.

Jimmy Eat World – Clarity [img:right]http://www.offshootinc.com/blog/wp-content/uploads/2009/03/jimmyeatworldclarity.jpg[/img]

Bewertung: [img]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/51/Star_full.svg/11px-Star_full.svg.png[/img][img]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/51/Star_full.svg/11px-Star_full.svg.png[/img][img]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/51/Star_full.svg/11px-Star_full.svg.png[/img][img]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/51/Star_full.svg/11px-Star_full.svg.png[/img][img]http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/51/Star_full.svg/11px-Star_full.svg.png[/img]

An manchen Tagen fühlt man sich leer. Sei es Streit mit der oder dem Geliebten, Trauer, Depressionen oder einfach nur Langeweile. Aber wohin mit dem Kummer? Man möchte nicht mit jemandem darüber reden, da man denkt, dass die Bedenken sich von selbst auflösen würden, wenn man sich der Situation bewusst wird. Eines Abends widmete ich mich dann der Clarity, wofür ich zuvor nie die Zeit hatte. Vierundsechzig Minuten und acht Sekunden lauschte ich diesem Album, das mich mit epischen Melodien und Harmonien in seinen Bann zog. Ich erwischte mich dabei, wie mir die Tränen in die Augen traten, wie ich ab und zu lächeln musste. Allein der Ehrlichkeit dieses Albums wegen. Allein der Reinheit dieser wunderschönen Musik wegen.

Die Klarheit begann mit Table for Glasses, das von der ersten Sekunde an meine volle Aufmerksamkeit bekam. Könnte man Musik mit Bildern beschreiben, gliche dieser Song einem unvergesslichen Sonnenuntergang. Mit der Gewissheit, dass man seinen Kummer nicht immer mit sich tragen sollte, wird dieses Lied von meisterhaften Kompositionen und Harmonien getragen, die den Hörer sofort in eine andere, eine zeitlose Welt entführen.

Lucky Denver Mint ist der bekannteste Song des Albums, was daran liegt, dass er Soundtrack der Film-Komödie »Never Been Kissed« ist. Von beängstigend harmonierenden Drums wird das Lied über der vollen Länge angeführt. »You're not bigger than this, not better – why can't you learn?«, singt Jim Adkins vorwurfsvoll und engelsgleich.

Mit Your New Aesthetic zeigt das Album auch erste Anzeichen der Facettenvielfalt. Mit einer furchtbar anmutigen Dynamik präsentiert sich der kürzeste, von Tom Linton gesungene Song mal hart, rockig und auch weich. »You better sing now while you can!«, erhallt es im Refrain. Wenn das mal nicht eine Aufforderung ist.

Believe in What You Want. So langsam wird klar, dass dieses Album Klarheit verschaffen soll. Dieser Song ähnelt »Your New Aesthetic« in der Struktur, klingt aber insgesamt viel angenehmer, zum Nachdenken anregender. Und wieder bombardieren sie uns mit Aufforderungen und Bitten: »Don't kid yourself, you know they want money. Please keep in sight what makes you care.«

Kaum hat man sich daran gewöhnt, dass das Album schon lauter ist, als es anfing, verschwindet dieses Gefühl mit A Sunday in Sekundenschnelle. Folgende Szene: Ein Paar streitet sich. Völlig aufgelöst verlässt einer von beiden das Haus und fährt irgendwohin. Mit der Erkenntnis, dass alles einmal endet, aber dennoch befindet sich diese Person nicht im Einklang mit ihrem Gewissen. Die instrumentale Strukur ähnelt der von »Table for Glasses«, differenziert sich aber deutlich. Der Gesang ist klar und ehrlich.

Crush! Warst du schon mal so verliebt, dass es dir schwer fiel, dich in der Anwesenheit der geliebten Person zu konzentrieren? »Crush« beschreibt genau das. »My lungs are so numb from holding back.« Es tut höllisch weh, wenn man nichts dagegen tut. Erst recht in einer kalten Winternacht. Das Tempo des Songs könnte man mit dem Herzrasen eines Verliebten assoziieren.

Wenn wir schon im Winter sind – was war am 12.23.95? Genau, ein Tag vor Heiligabend. Das Instrumental ist dezent elektronisch und erinnert an jene Videospiele aus den Neunzigern mit an Zeiten der Kindheit erinnernden Melodien. Wie eine Fortsetzung von »Crush«: Der Person wird langsam klar, dass sie ob ihrer Liebe keine innerliche Scham ertragen muss. »I didn't know what to say... Merry Christmas, baby.«

Ten spielen Jimmy Eat World auf Konzerten am liebsten. Dieses Lied offenbart Ehrlichkeit. »We need poison sometimes.« Gefühle verändern sich schnell. So schnell, dass man vor Angst der Lüge Glauben schenkt. Nur, um nicht tiefer zu fallen, als dass man es schon tut. Dieser Song durchschaut und beeindruckt mit ebenso herrlichen Harmonien.

Episch wird es in Just Watch the Fireworks, dem zweitlängsten Track dieses Albums. Silvester. Sekunde für Sekunde wird man in einen Gedankensog verschlungen, immer und immer mehr. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Das musikalische Arrangement ist durchdacht und besänftigt mit Zeilen wie »–here you can be anything«. Der Titel des Songs sagt genug aus.

For Me This Is Heaven. Es ist vorbei. Die Andeutung ist klar und deutlich. Der oder die Geliebte muss fort sein, anders sind die melancholischen, aber friedlichen Melodien nicht zu deuten. »The first star I see may not be a star. If I don't let myself be happy now then when? I close my eyes and believe – wherever you are –, angel, for when the time we have now ends.« Außergewöhnliche Lyrik, die zum Schwelgen in Gedanken anregt.

»And how long would it take me to walk across the United States all alone? The West coast has been traumatized. I think I'm the only one still alive.« Erstmals kommen beide Sänger zum Einsatz. Jim Adkins, der Frontsänger, steigt später im Refrain ein. Obwohl Blister als eher schnellerer Song hervorsticht, ist die Lyrik dennoch ziemlich ernst. Im Kontext zu den bisherigen Songs beschreibt der Song, dass man versucht, der schlechten Situation zu entkommen, indem man andere Wege geht. Frustration verkündet dieses Lied.

Clarity, zu Deutsch: Klarheit oder auch Reinheit, ist der vorletzte Song des gleichnamigen Albums. Dieser Song unterstreicht die Bedeutung von »Blister«. Mit einer noch einmal gesteigerten Dynamik gleicht das Lied einem Tornado aus Angst, Erkenntnis, Frust, Trauer und Wut. »Now in the deep and down your heart moves.«

Das große Finale: Goodbye Sky Harbor ist einer der wohl epochalsten Closer in der Musikgeschichte. Sechzehn Minuten und dreizehn Sekunden entführt dieser Song an einen Strand. Man liegt in der Hängematte und blickt durch die Blätter der Palme hinauf zur Sonne. Es ist endgültig vorbei, der Erzähler findet sich damit ab. Anfangs sind die Melodien aggressiver, nehmen aber mit der Zeit ab und wiederholen sich (allerdings bei jeder iterativen Wiederholung um kleine Feinheiten anders). Der instrumentale Anteil des Songs ist massiv und mit einem elektronischen Hauch ausgestattet. Die Inspiration für dieses Lied brachte das Buch »A Prayer for Owen Meany« von John Irving. Auf lyrischer Ebene wird die Assoziation surrealistisch bestätigt. »So here I am above palm trees so straight and tall. You are smaller, getting smaller. But I still see you.« Das Bild der ewigen Liebe wird immer kleiner und kleiner, aber man sieht es dennoch. Es ist die Klarheit, die den Unterschied macht.

Fazit: Dieses Album erzählt eine Geschichte. Daran könnten sich viele Bands etwas abschneiden. Es ist ein Meisterwerk, das seines Gleichen sucht. Ich möchte an dieser Stelle noch auf den Bezug zum Buch »A Prayer for Owen Meany« eingehen. Das Album startete mit der Einsamkeit (»Table for Glasses«), gefolgt vom Kennenlernen (»Lucky Denver Mint«, »Your New Aesthetic«), woraufhin sich der Charakter der agierenden Person verändert. Sie wird mutiger. Sie fängt an zu lieben (»Believe in What You Want«, »A Sunday«, »Crush«, »12.23.95«). Von ganzem Herzen. Aber nur wenig später geht die geliebte Person. Wahrscheinlicher Tod (»Ten«, »Just Watch the Fireworks«, »For Me This Is Heaven«). Letztendlich versucht die Hauptperson dies zu bewältigen (»Blister«, »Clarity«). Dann nimmt sie sich in Anlehnung an das hier genannte Buch das Leben (»Goodbye Sky Harbor«).

Die Textzeile »I am but one small instrument« steht stark in Anlehnung an die Charakterisierung des Owen Meanys. Auszug aus Wikipedia: »Owen lebt nun unter der Vorstellung, ein Instrument Gottes zu sein, was auch alle seine Handlungen determiniert. Er denkt ständig an seinen nahe bevorstehenden Tod, der dementsprechend einem guten Zweck dienen wird und dessen Datum er lange vorher durch eine Vision zu kennen glaubt. John hingegen ist an Fragen des Glaubens wenig interessiert und offenbart zunächst kein transzendentales Bedürfnis. Im Laufe seines Lebens wird sich das allerdings ändern. Owen stirbt den Opfertod.« Clarity ist mehr als ein Album. Es ist der Schlüssel zur epischen Klarheit.

Höhepunkte des Albums: Table for Glasses, A Sunday, Ten, Just Watch the Fireworks, Goodbye Sky Harbor

Anspieltipps: Table for Glasses, A Sunday, Goodbye Sky Harbor