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Re: Staatsform "direkte Demokratie" * [Re: chrixix] - #2425471 - 28.03.2012, 08:13:33
Bithya

Registriert: 17.08.2003
Beiträge: 6.676
Hallöchen,


Punkt 1: Was ist Politik?

Punkt 2: Was ist in der Politik "Dummheit"?

Punkt 3: Wie funktioniert das im Video vorgeschlagene System, wenn ein Großteil der Menschen kein Interesse zeigt?

Punkt 4: Ist es wirklich so demokratisch, wenn man über einen Vorschlag nur mit Up- oder Down-Vote abstimmt? ergibt sich daraus wirklich eine Priorisierungs-Liste, die die Meinung des Volkes widerspiegelt?

Punkt 5: Jean-Jacques Rousseau gilt als Vordenker der direkten Demokratie. Er selbst sagt über seine Form der direkten Demokratie, dass sie vermutlich nur in kleinen Staat (wie damals Korsika) möglich umzusetzen ist - für große Staaten bezweifelt er, dass eine reine direkte Demokratie möglich ist, so sehr er auch jede andere Form verabscheut. Wieso sollte das heute anders sein? Wegen des Internets?

Punkt 6: Einigkeit in der Politik - wie sinnvoll ist das? Und vor allem: Wie erstrebenswert?



Bithya (-:

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: Bithya] - #2425600 - 28.03.2012, 12:24:23
chrixix

Registriert: 25.10.2005
Beiträge: 12.620
1) Darüber muss man nicht großartig streiten. Politik ist das, was den Staat umfasst, lenkt, organisiert etc. Das finde ich in dem Bezug nun auch eher uninteressant (es sei denn zu zeigst mir einen guten Punkt)

2) Dummheit ist generell das, was der Vernunft und Logik widerspricht. Was negative Einflüsse hat. Hier wäre es beispielsweise sogar utilitaristisch begründbar, indem wir sagen, dass eine dumme Entscheidung da ist, was mehr Leid als Freude für das Volk bringt. Zusätzlich, bzw nicht ausschließend, aber auch dem Individuum bringt, das dann entscheiden darf, ob es zu dem Staat gehören will oder nicht.

3) Wenn ein Großteil kein Interesse zeigt, dann ist das wie heute auch. Die müssen dann mit dem leben, was abgestimmt wird. Wenns vor deiner eigenen Nase abläuft und du nicht mitmachst, dann hast du ja wohl echt den Schuss nicht gehört, wenn du dich dann über Unfairness beschwerst.

4) Ich denke es hat das Potential uns mehr als rein parlamentarische Wahlen zu geben, in denen wir ein Grundprogramm der Leute unterstützen, die eine Meinung haben, die sie für richtig halten und der wir mehr zustimmen als der Meinung anderer. Ich denke wenn nun 10.000 Leute über 300 Fragen ergeben, haben wir ein demokratisches Ergebnis darüber, was das Volk (diese 10.000) davon denken.

5) Ja, wegen des Internets. Weil es dadurch leichter wird, rauszufinden, was gewollt ist und was nicht. Darüber hinaus könnte man ja einfach weitere politische Ämter und Institutionen einführen, die sich ggf. um die Umsetzung kümmern. Allerdings geht das jetzt auch wieder in die parlamentarische Richtung, allerdings habe ich auf die Schnelle kein anderes Konzept dafür, was mit der Entscheidung passiert.

6) Einigkeit in der Staatsführung und Staatsgestaltung sollten ja wohl sinnvoll und erstrebenswert sein. ;-) Das Leben besteht nicht daraus, sich den Staat zu bilden. Der beste Zustand des Staates sollte ein reibungsloser Ablauf sein, der so wenig Wartung und Mühe bedarf, wie möglich. Immerhin möchte man ja seinem invididuellem Leben im Staat nachgehen (und der Staat muss dasselbe wollen! Der Staat darf nicht wollen, dass es um ihn geht) und wenn man dauernd überall alles reparieren und besprechen und streiten muss, dann kommt man desto weniger dazu.

PS: Fand deine Anregungen ganz nett. (-:

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: chrixix] - #2425745 - 28.03.2012, 16:12:44
MindChaoz
Nicht registriert


Antwort auf: chrixix
5) Ja, wegen des Internets. Weil es dadurch leichter wird, rauszufinden, was gewollt ist und was nicht. Darüber hinaus könnte man ja einfach weitere politische Ämter und Institutionen einführen, die sich ggf. um die Umsetzung kümmern. Allerdings geht das jetzt auch wieder in die parlamentarische Richtung, allerdings habe ich auf die Schnelle kein anderes Konzept dafür, was mit der Entscheidung passiert.


Wie gesagt, ich fände da wirklich den Mittelweg eines Bürgermandates sinnvoll. Das Parlament komplett abzuschaffen, ist zwar ebenfalls ein interessanter Gedankengang, doch was ist, wenn wirklich die "Dummheit" überwiegt? Wird dann nicht die sogenannte (indirekte) vierte Staatsewalt, die Medien, die Macht übernehmen?

Ich würde diese nicht unterschätzen, immerhin sieht man tagtäglich, wie alleine die Bildzeitung Millionen von Menschen beeinflussen kann.

Wenn man den Gedanken weiterspinnt und nun mal davon ausgeht, dass in Deutschland zukünftig eine komplette direkte Demokratie herrsche, deren politische Entscheidungen durch das Internet beeinflusst wären, wer würde den Anstoß zu diesen Entscheidungen bringen? Wer würde die Meinungen beeinflussen? Eben meistens die Medien.
Hätten diese dann nicht zunehmend die Staatsgewalt indirekt in der Hand und würde die Medienlandschaft nicht zunehmend politischer motiviert?

Weitere Frage: Was wäre, wenn der Staat nun absolut keine Repräsentativen hätte? Selbst wenn es offiziell keine gibt, bräuchte man - in weltpolitischer Hinsicht - weiterhin Abgeordnete, die die Interessen der Masse vertreten (Europaparlament, Staatsbesuche, etc.)

Würde dies dann nicht widerum dem gesamten neuen System komplett widersprechen?

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: ] - #2425798 - 28.03.2012, 17:05:05
Bithya

Registriert: 17.08.2003
Beiträge: 6.676
Hallöchen,

@ chrixix
Zu deiner Antwort auf 1:
die Frage, was Politik ist, ist immer die grundlegende Frage bei jedem Thema, das irgendwie mit politischer Theorie zu tun hat. Erst, wenn du definiert hast, was für dich Politik ist, kannst du anfangen, über bestimmte Ausgestaltungen des politischen Raums, der politischen Prozesse etc. zu reden. Nach Machiavelli ist Politik = Macht. Hannah Arendt ist Politik = zusammen handeln und Politik = Freiheit. Man muss wissen, was der andere unter Politik versteht, um zu verstehen, wieso er bestimmte Dinge sieht, wie er sie sieht. Anhängern direkter Demokratie liegt ein ganz anderes Menschen- und Politikbild zugrunde als Anhänger klassischer liberaler Demokratie.

Zu deiner Antwort auf 2:
Ich lehne ultilitaristische Begründungen ab, weil ich den Utilitarismus selbst ablehne, kategorisch. Da kann man mit mir auch nicht diskutieren. Ich finde es schwer, Dummheit in der Politik zu definieren, weil es in der Politik einfach nicht "das Richtige" oder "das Wahre" gibt. Für so ziemlich jede Position gibt es gute Argumente, je nach dem, welcher Ideologie du anhängst.

Zu deiner Antwort auf 5:
Ich habe mir gedacht, dass das Internet als Argument kommt. Aber was machst du mit all jenen, die so genannte "Offliner" sind? Nach neusten Studien ist entgegen allgemeiner Annahme immer noch ein Großteil der Bevölkerung "offline" in dem Sinne, dass sie höchstens mal Mails checken, aber sonst kaum das Internet nutzen. Das trifft vor allem auf die älteren Menschen zu. Man würde mit Politik via Internet zwar ganz neue Möglichkeiten schaffen (siehe Piraten-Partei), aber auch generell sehr arme und sehr alte Menschen ausschließen ...

Zu deiner Antwort auf 6:
Nach dem republikanischen Ideal, welches z.B. Arendt anstrebt (die übrigens jede Form der Repräsentation ablehnt!), ist Politik der zentrale Bestandteil des Lebens. Im besten Fall widmen alle Menschen als tugendhafte Bürger ihr Leben der Diskussion, zum gemeinsamen Handeln, dem Diskurs, dem Austausch in der Öffentlichkeit. Und durch den ständigen Austausch von Argumenten unter Leuten, die nie einer Meinung sind, wird das Ziel der Politik immer neu definiert. Es bleibt immer Bewegung da, jeder Bürger fühlt sich immer angetrieben, sich einzubringen, sich um die Gemeinschaft zu kümmern, sich Gedanken zu machen, was das beste für alle ist. Einigkeit ist in diesem Sinne der Tod für Politik, da nach Arendt das Politische nur im Zwischenraum zwischen den Bürgern, also in dem, was sie voneinander unterscheidet und trennt, existieren kann.



@MindChaoz:

Direkte Demokratie bedeutet nicht zwingend, dass es keine Regierung mehr gibt. Rousseau z.B. als Vordenker der direkten Demokratie hat das niemals ausgeschlossen. Für ihn gehört zur Republik (so nennt er die direkte Demokratie), dass möglichst alle Bürger an der Gesetzgebung beteiligt sein müssen. Je nach Regierungsform kann es dabei Monarchie, Aristokratie oder Demokratie geben. Die Regierung macht keine Gesetze, sie führt diese lediglich aus. Der beste Zustand ist natürlich der einer Demokratie, wo 100% der gesetzgebenden Bürger auch in der Regierung sind. Aber auch eine Monarchie akzeptiert er, solange die Gesetzgebung, die für ihn zentrale politische Kompetenz, welche die Souveränität des Volkes ausmacht, beim Volk liegt.

Und genau das schlägt der junge aus dem Video ja auch vor. Jeder Bürger ist daran beteiligt, Gesetze zu entwerfen und zu diskutieren. Er redet nicht davon, dass jeder Bürger dann diese Gesetze umsetzt. Das ist nur in Kleinststaaten oder Stadtstaaten vielleicht möglich, in großen Staaten ist eine Regierung als reine Exekutive aus organisatorischen Gründen immer nötig.


@chrixix: Welche Anregungen meintest du? Die Fragen oder die Literaturtipps? Falls du die Literatur meintest: Zum Thema Kommunitarismus (und generell im Bereich Politischer Theorie) sollte man Michael Walzer lesen.




Bithya (-:

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: chrixix] - #2431468 - 08.04.2012, 17:37:38
Herr Tod
Nicht registriert


Antwort auf: chrixix
Ich verstehe nur nicht, wieso man von Anfang an ausschließen muss.


In dieser Form zumindest, da die Mehrheit m.M.n. nicht fähig ist, einen Staat kompetent zu lenken. Aus Desinteresse, mangelndem Politikverständnis, zu komplexer Struktur heutiger Staaten. Wer blickt denn bspw. heute noch in der EU durch? Niemand, nicht mal die Experten. Wie soll da ein einzelner kleiner Bürger kompetent entscheiden? Da warten Massen an Informationen, mit denen man dutzende Menschenleben zubringen könnte, ohne sie vollends zu begreifen.

Abgesehen davon, ist auch die Gefahr der Massenlenkung einfach zu groß. Betrachtet man sich mal, wie sich politische Standpunkte wie etwa der Atomausstieg hypehaft unter der Bevölkerung verbreiten, wird klar, wie unüberlegt und leicht zu beeinflussen die Masse ist. Sowas kann und wird auf Dauer nicht gut gehen.

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: ] - #2434099 - 13.04.2012, 15:34:58
Herr Tod
Nicht registriert


Hier übrigens mal ein Zeitartikel, der auf die rein technischen Schwierigkeiten bei Onlinedemokratie hinweist:

Dialog für Deutschland

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Re: Staatsform "direkte Demokratie" [Re: ] - #2437527 - 20.04.2012, 04:11:29
DoUgHbOyS
Nicht registriert


Warnung! Spoiler!
Antwort auf: MindChaoz
In einigen Ländern würden sicherlich schlechte Entscheidungen überwiegen, die "Masse" der Menschen hat nämlich wirklich kein politisches Verständnis und würde sich auch niemals die Mühe machen, die Entscheidungen großartig zu überdenken. Einige Einzelgruppierungen würden alles tun, um die Masse der Menschen dazu zu bringen, so zu stimmen, wie sie es gerne hätten - Propaganda, Plakate, Medien... [kommt einem doch bekannt vor, oder?]


Antwort auf: chrixix
5) Ja, wegen des Internets. Weil es dadurch leichter wird, rauszufinden, was gewollt ist und was nicht. Darüber hinaus könnte man ja einfach weitere politische Ämter und Institutionen einführen, die sich ggf. um die Umsetzung kümmern. Allerdings geht das jetzt auch wieder in die parlamentarische Richtung, allerdings habe ich auf die Schnelle kein anderes Konzept dafür, was mit der Entscheidung passiert.


Antwort auf: Bithya
die Frage, was Politik ist, ist immer die grundlegende Frage bei jedem Thema, das irgendwie mit politischer Theorie zu tun hat. Erst, wenn du definiert hast, was für dich Politik ist, kannst du anfangen, über bestimmte Ausgestaltungen des politischen Raums, der politischen Prozesse etc. zu reden. Nach Machiavelli ist Politik = Macht. Hannah Arendt ist Politik = zusammen handeln und Politik = Freiheit. Man muss wissen, was der andere unter Politik versteht, um zu verstehen, wieso er bestimmte Dinge sieht, wie er sie sieht.


Antwort auf: Herr Tod
In dieser Form zumindest, da die Mehrheit m.M.n. nicht fähig ist, einen Staat kompetent zu lenken. Aus Desinteresse, mangelndem Politikverständnis, zu komplexer Struktur heutiger Staaten. Wer blickt denn bspw. heute noch in der EU durch? Niemand, nicht mal die Experten.


Wenn ich mir diese sehr logischen und konstruktiven Argumente hier anschaue, dann finde ich ehrlich gesagt nichts worüber ich mich noch äußern kann, außer das es am Ende immer darauf ankommt mit welcher Ideologie man aufgewachsen ist, denn das ist nähmlich meiner Meinung nach die erste Instanz wenn es zu der Definition von Politik kommt. Wenn ich mir die Amerikanische Regierung anschaue, dann kommt mir ehrlich gesagt nur Macht, Kapital und Korruption in den Gedanken. Aber genau das ist doch was uns nie wirklich politisch verbinden kann, - andere Ideologie, (Religion, Kultur, eigene Meinung, etc.), das ganz speziell in der USA wirklich sehr divers ist, und Diversität (kann!) zu ethischen Problemen kommen. Nicht jeder hat die Denkensweise eines Liberalisten oder Demokraten. Wenn es nach dem Schachzug von manchen Repräsentanten im US-Kongress ginge, dann würden wir lieber China mit ihrer imperialistischen Art und Weise die Welt erobern lassen, was Technologie der Zukunft angeht, oder den Amerikanischen Automarkt aussterben lassen. Von daher, direkte oder indirekte Demokratie, Internet oder ohne Internet, Konkurrenz ist ebenso ein entscheidender Faktor das zu Entscheidungen führen kann, die manchmal wirklich keinen Sinn machen, aber für manche Politiker von Vorteil sind, und das gilt auch für die "Masse" der Menschen.

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