Du bist nicht angemeldet. [Anmelden]
Optionen
Thema bewerten
Ehre - #2321928 - 21.09.2011, 13:18:42
Ringu
Nicht registriert


Hey,

ich hatte mir letztens zum ca. tausendsten Mal den Film "Last Samurai" angeschaut und da ist mir aufgefallen, wie fasziniert ich eigentlich von dem Begriff "Ehre" und den Konsequenzen, die aus diesem Terminus folgen, bin.

Um anschauliche Beispiele für (scheinbare) Ehre und ihre automatischen Folgen zu finden, müssen wir aber gar nicht bis in die Zeit der japanischen Samurai, den Ehrenkämpfen zwischen Männern vom Mittelalter oder bis zum 2. Weltkrieg zurückblicken, wo Generäle aus Angst vor dem Verlust ihrer Ehre, indem sie Eide brachen, höchst unmoralisch und dem eigenen Gewissen zuwider handelten - auch heute hören wir z.B. in Deutschland von Ehrenmorden. Vor allem aber im arabischen Raum finden immer wieder drakonische Urteile statt, wo vermehrt Menschen verurteilt werden, weil sie u.a. die Ehre ihrer Familie/des Ehegatten verletzten.

Meine Frage: "Glaubt" ihr selbst an Ehre? Meint ihr, Ehre zu besitzen? Warum? Was ist Ehre eurer Meinung nach überhaupt? Lohnt es sich eurer Definition von Ehre nach für diese auch zu sterben, wie dies in vergangenen Zeiten praktiziert wurde? Ist Ehre, so wie sie medial oftmals dargestellt wird, prinzipiell schlecht oder erkennt ihr einen Nutzen, etwas Gutes in ihr?

Ich weiß, ich stelle viele Fragen und ich erwarte auch nicht, dass ihr auf alle eine Antwort findet. Ich bin sehr gespannt auf eure Antworten! Meine persönliche Meinung dazu werde ich später thematisieren.

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2321943 - 21.09.2011, 13:54:38
Herr Tod
Nicht registriert


Zitat:
ich hatte mir letztens zum ca. tausendsten Mal den Film "Last Samurai" angeschaut und da ist mir aufgefallen, wie fasziniert ich eigentlich von dem Begriff "Ehre" und den Konsequenzen, die aus diesem Terminus folgen, bin.


Ich mag den Film auch, allerdings erscheint er einem weniger faszinierend, wenn man weiß, dass er wenig mit der Realität zu tun hat. Die Samurai waren natürlich nie diese uneigennützigen Strahlemänner, die nur für die Ehre kämpften. Sie standen in den Diensten ihrer Herren, genossen einige Privilegien und kämpften vor allem darum, diese nicht zu verlieren.

Der Begriff Ehre ist immer so eine Sache. Meiner Meinung nach wird er viel zu häufig missbraucht, um weniger positive Beweggründe zu kaschieren. Was du hier ansprichst - nämlich das Nichteingestehen der Niederlage, wie es ja die Samurai teilweise taten, indem sie Seppuku, also Selbstmord begingen, hatte meist überhaupt nichts mit Ehre zu tun. War ein Samurai in Ungnade gefallen, hatte er nicht nur Schande über sich, sondern auch über seine Familie gebracht. Durch seinen Selbstmord konnte er dies tilgen, die Ehre der Familie wiederherstellen, wobei mit Ehre hier letztendlich nur ein Schuldenstand gemeint ist. Ein anderer Grund war natürlich die Scham, als Verlierer dazustehen, aber jemand, der dies nicht ertragen kann und sich deshalb umbringt, hat für mich nicht mehr Ehre als jemand, der den Mut hat, dies zu akzeptieren.

Auch die Generäle in den Weltkriegen - hatten sie verloren, drohte ihnen sowieso meist der Verlust ihrer Güter/Positionen, Kriegsgefangenschaft oder sogar das eigene Leben. Aus Angst vor diesem Verlust gestand man sich die Niederlage ein, nicht aus Ehrempfinden. Oder eben, wenn man fanatisch daran festhielt, dass die eigene Partei den Sieg davontragen würde, so wie das noch einige Soldaten zu Zeiten Hitlers taten, obwohl schon alles verloren war. Starrsinn, Fanatismus, Ignoranz - kein Ehrgefühl.

Auch im arabischen Raum wird dieser Begriff der Ehre meiner Meinung nach stark missbraucht, um Frauen Männer zu unterwerfen. Man legt ihnen moralische Fußfesseln an, indem man ihnen einredet, dies und das sei ehrlos - und es funktioniert. Dass diese Männer meist selbst ein viel moralisch fragwürdigeres Leben führen, zeigt, dass es auch hier nicht um Ehre geht, dass Ehre nur als Vorwand benutzt wird, um eine gewisse Gruppe einer anderen zu unterwerfen.

Bleibt die Frage, was für mich Ehre ist. Ehre ist für mich das Gegenteil, von dem, was die Samurai taten - eine Niederlage fair und wie ein Ehrenmann einzugestehen, dem Gegner den Sieg zu gönnen, wenn man verloren hat. Ehrenhaft ist für mich jemand, der andere Menschen respektiert, fair mit ihnen umgeht und ihre Schwächen nicht ausnutzt. Meine Definition hat also wenig bis gar nichts mit gefeierten Leinwandhelden und moralischen Käfigen zu tun.


Bearbeitet von Herr Tod (21.09.2011, 13:55:30)

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2337505 - 24.10.2011, 18:39:46
Ringu
Nicht registriert


Was ist denn, wenn Ehre nichts anderes als ein Schuldenstand ist? Ein Spiegelbild meiner Integrität und meiner Reputation innerhalb der Gesellschaft? Falle ich in Ungnade, aus welchen Gründen auch immer, muss ich diesen entsprechend tilgen. So sah dann ja auch die Vorstellung der Samurai von Ehre aus und letztendlich würde ich sagen, ist Ehre auch nichts anderes.

Der Suizid ist ja praktisch die letzte Konsequenz aus der Akzeptanz der Niederlage. Ich finde, du sagst es etwas zu profan, dass eine Person, die sich selbst umbringt und das auf ziemlich bestialische Weise ( Seppuku, für die, denen diese Praxis unbekannt ist ) auf einer Stufe mit jmd. steht, der sich seine "nur" Niederlage eingesteht und unter kollektiver Ächtung weiterlebt. Sicherlich, ich möchte letzteres nicht banalisieren, aber ist es nicht wesentlich schwieriger und kostet es nicht wesentlich mehr psychischer Mühe, den eigenen Selbsterhaltungstrieb zu überwinden anstatt einfach weiterzuleben? Ist es aufgrund der Schwere der Entscheidung nicht in signifikantem Maße "ehrenwerter", durch die eigene Hand zu sterben?

Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man wahrhaftig für eine Sache kämpft, sich mit dieser identifiziert, dass man dann auch bereit sein muss, im Falle einer Niederlage sich selbst zu richten, denn mit der Sache selbst bin ja letztendlich auch ich, als ihr Initiator und Träger, gescheitert.

(Diese Gedanken sind rein hypothetisch und sind nicht zwangläufig konvergent mit meiner persönlichen Ansicht.)


[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338000 - 25.10.2011, 15:59:07
Herr Tod
Nicht registriert


Zitat:
Falle ich in Ungnade, aus welchen Gründen auch immer, muss ich diesen entsprechend tilgen. So sah dann ja auch die Vorstellung der Samurai von Ehre aus und letztendlich würde ich sagen, ist Ehre auch nichts anderes.


Ehre heißt für mich, dass jemand nicht nur mit seinen Stärken, sondern auch mit seinen Schwächen umgehen kann. Im Lauf der Geschichte kann man beobachten, wie die Menschen hier immer aufgeklärter werden: Kam in der Antike oft nur der Tod auf dem Schlachtfeld infrage, so wurde besiegten Gegnern wie auch Eigenen immer häufiger Pardon gewährt bis in unserer heutigen Zeit in einer modernen Armee es kaum mehr jemand als ehrlos empfindet, wenn ein Soldat nach einem verlorenen Gefecht nicht gleich den Tod sucht.

Zitat:
Sicherlich, ich möchte letzteres nicht banalisieren, aber ist es nicht wesentlich schwieriger und kostet es nicht wesentlich mehr psychischer Mühe, den eigenen Selbsterhaltungstrieb zu überwinden anstatt einfach weiterzuleben? Ist es aufgrund der Schwere der Entscheidung nicht in signifikantem Maße "ehrenwerter", durch die eigene Hand zu sterben?


Nein. Den Selbsterhaltungstrieb überwindet man sicher nicht einfach, allerdings reicht hier ein einziges kurzes Überblenden der Konsequenzen und es ist getan. Ungleich schwerer ist es, ein Leben lang mit seiner Schwäche zu leben und zu lernen, damit umzugehen. Dass Selbstmord ehrenwerter sei, als in Schande zu leben, ist ein über Jahrhunderte genährter Topos, vorzugsweise unter Männern und hat seine Wurzeln tief in den Anfängen des Altertums, in denen es in der männlichen Gesellschaft viel mehr auf Stärke ankam als auf Einsicht und die Fähigkeit, zu lernen.

Zitat:
Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man wahrhaftig für eine Sache kämpft, sich mit dieser identifiziert, dass man dann auch bereit sein muss, im Falle einer Niederlage sich selbst zu richten, denn mit der Sache selbst bin ja letztendlich auch ich, als ihr Initiator und Träger, gescheitert.


Es hat für mich nichts mit Ehre zu tun, sein Leben zwangsläufig an das Gelingen oder Scheitern einer einzigen Sache zu koppeln.

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338086 - 25.10.2011, 18:12:48
Jennyhamster
Nicht registriert


Ich muss Herr Tod zustimmen ... gerade bei den Samurai ging es eher um Status- und Machterhaltung und die "Flucht", wenn es nicht mehr geht.

Auch zum Thema Frauenbild haben die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert ... jahrhundertelang wurden Jungfrauen aus Taiwan "eingefangen", die dann dem Adel und auch verdienten Samurai "zur Verfügung" gestellt wurden.

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338090 - 25.10.2011, 18:24:58
Ringu
Nicht registriert


Ist halt die Frage, ob Ehre nicht u.a. den Status innerhalb der Gesellschaft beinhaltet.

Es ging mir eigentlich auch gar nicht um die tatsächliche Rolle der Samurai. Der Film sollte nur als Beispiel dienen, unabhängig von der historischen Realität.

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338126 - 25.10.2011, 19:23:51
Jennyhamster
Nicht registriert


OK .. allgemein gesehen ist Ehre eben gruppen- bzw. gesellschaftsabhängig, eine allgemeien Defintion gibt es nicht.

Bei den einen ist es ehrenvoll, Feinde zu töten, bei anderen nicht.

Ehre ist meist nur ein anerzogenes Dogma. Und wird zu oft missbraucht.

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338133 - 25.10.2011, 19:32:06
Ringu
Nicht registriert


Zitat:
Ehre ist meist nur ein anerzogenes Dogma. Und wird zu oft missbraucht.

Das kann ich so unterschreiben.


[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: ] - #2338156 - 25.10.2011, 20:17:44
Oberflirtmaster
​Wadenbeisser

Registriert: 13.12.2004
Beiträge: 8.474
Ort: Couch
ich würde weniger von dogma sprechen sondern von einem prozess der sich aus den werten ergibt die man als kind vermittelt bekommen hat.

die samurai sind nur ein beispiel wie man in einem anderen teil der erde damit umgeht oder umgegangen ist.
ich stimme euch zu das die definition von ehre gesellschaftsabhängig ist.
ehre liegt für mich untrennbar neben "werten" ich glaub der begriff der ehre baut erst auf den werten auf die man in der familie in der gruppe und in der gesellschaft vermittelt bekommt.

ehre ist also meiner ansicht nach nichts grundlegend schlechtes man darf den begriff allerdings nicht überbewerten und darf ehre auch nicht auf suizid und ehrenmorde reduzieren und sie darf nicht dazu führen anderen ihre daseinsberechtigung abzusprechen (siehe ehrenmorde).

vermutlich ist es so das wir mitteleuropäer (zumindest sehe ich das so) den samurai als feigling betrachten weil er sich unehrenhaft aus dem leben stilt und die probleme den anderen überlasst.
für uns ist es aufgrund unserer erziehung und anschauung ehrenhaft seinen "mann" zu stehn lebendig verantwortung zu übernehmen.

andersherum bezeichnet der samurai uns möglicherweise wiederum als feigling weil wir uns nicht selbst richten wenn wir schuld auf uns geladen haben.
so grundverschieden können die ansichten über ehre sein.
_________________________
Die Signatur hat Insolvenz angemeldet

[zum Seitenanfang]  
Re: Ehre [Re: Oberflirtmaster] - #2338623 - 26.10.2011, 21:20:46
Waron
​Familymitglied

Registriert: 12.05.2004
Beiträge: 4.423
Das ich sag mal "edle" Bild der Samurai was wir durch die Medien haben ist eine enorme Geschichtsklitterung ähnlich wie die moderne Beschreibung von Saladin.

Auch für Samurai war es kein Problem Kinder, Frauen also Zivilisten abzuschlachten insofern diese "frei" waren, Selbstmord (Seppuku) wurde nur unter direktem oder indirektem Zwang betrieben, hier sieht man deutlich den gesellschaftlichen Zwang und Verschiedenheiten den ein Ehrbegriff beinhalten kann.
_________________________
Wie macht die Robbe? - owned owned owned..

[zum Seitenanfang]