Es war ein herrlicher Tag!
Die Sonne schien und erweckte in mir dieses tolle Gefühl, das Gefühl der Freiheit, es fühlte sich an, als wäre ich verliebt - dabei schien nur die Sonne.
Ich beschloss, mit meiner Freundin "Afra" abzuholen.
Die Hündin einer Bekannten, welche wir am liebsten jede Minute um uns gehabt hätten.
Wir holten sie ab -
Afra, damals ca. eineinhalb Jahre jung, war außersich vor Freude, dass "wir" wieder kamen um mit ihr Gassi zu gehen -
und machten einen laaaangen "Gassi"gang.
Die Hündin war immer sehr aufgedreht und tollte unbeirrt in der Gegend herum.
Wir gingen mit ihr durch die Felder und schließlich kurz zu mir nach Hause in unseren damaligen großen Garten.
Afra hatten wir an der Leine, da meine Kaninchen im Freigehege waren.
Doch sie bellte nicht, schnupperte nur kurz und ließ dann von ihnen ab.
Im hinteren Teil des Gartens - weit weg von den Kaninchen - spielten wir eine Weile mit Afra, entschlossen uns dann aber, sie zurück zum Herrchen zu bringen, d.h., ich brachte sie zurück, meine Freundin blieb bei mir zu Hause, da wir in kürze einen Termin hatten und sie schonmal meine Kaninchen versorgte.
Zuerst gingen wir (Afra und ich) den Bürgersteig entlang.
Wie jedes Mal, wenn ich mit Afra bei mir gewesen waren.
Dann über eine Straße (Afra war natürlich die ganze Zeit angeleint).
Vor uns befand sich der Feldweg, welcher zum Haus des Herrchens führte.
Zehn Meter von der Straße entfernt, leinten ich Afra ab, wie jedes Mal, damit sie in den Feldern herumtollen konnte.
Sie lief ein Stück in Richtung des Hauses ihres Herrchens, als sie plötzlich umdrehte.
Richtung Straße.
Ich versuchte sie zu packen.
Sie entwich meinen Fingern knapp.
Ich rief sie, doch in ihrem Eifer hörte sie nicht auf mich.
Schließlich rannte ich.
Wollte sie einholen.
Zu spät.
Afra erreichte die Straße.
Ein Auto, von links.
Sie rannte auf die Straße.
Plötzlich lautes jaulen.
Das Auto fuhr weiter.
Afra kam humpelnd zu mir - sie blutete aus der Nase.
Geschockt und mit Tränen in den Augen leinte ich sie an.
Mehrere Leute kamen zu uns, sie hatten wohl das jaulen gehört.
Ein Mann rief den Tierarzt.
Während einige Leute bei Afra blieben, schwang ich mich auf ein Farrad und fuhr zu Ute, meiner Bekannten.
Ich erzählte es ihr schnell und wir beide fuhren wieder zu Afra.
Sie lag einfach da.
Der Tierarzt kam, ich konnte nichts mehr machen, daher ging ich zum Flötenunterricht, meinem Termin.
Ich wollte ihn absagen, doch meine Eltern erlaubten es nicht.
Selbst nach dem, was passiert war.

Einige Tage später, ich hatte mich bei Ute mit einem Geschenk entschuldigt, obwohl ich wusste, dass es nicht zu entschuldigen war, teilte sie mir mit, dass sie vor einer großen Entscheidung stand.
Entweder für oder gegen Afras Leben.
Afras Zwergfell war bei dem Unfall geplatzt - sie wurde von dem Auto mitgerissen und kam sozusagen am Ende wiederraus.
Die Operation war sehr teuer und es stand nicht fest, ob sie überleben würde. Ihre Organe befanden sich an falschen Stellen im Körper, da sie nicht mehr vom Zwergfell gehalten wurden.
Schließlich entschied sich Ute für die Operation. Wir bezahlten ihr einen Teil der Kosten.

Afra überlebte.
Vor ca. 3-4 Jahren habe ich sie das letzte Mal gesehen, bevor wir umzogen, sie war wieder munter.
Nach der Operation musste sie lange zeit ein T-Shirt tragen, damit sie sich die Narben nicht wieder aufbiss.

An jenem Tag war ich 12 Jahre alt. Vielleicht war ich zu unerfahren, einfach dumm. Offensichtlich ist, dass Afra zu meinen Kaninchen wollte. Sie hatte wahrscheinlich den Geruch noch in der Nase. Worauf ich damals nicht geachtet habe: Als ich mit ihr den Bürgersteig entlang ging, Richtung Straße und Feldweg, drehte sie sich mehrmals um.

Lange Zeit hatte ich Alpträume. Was mir bis jetzt noch von diesem Unfall im Gedächtnis hängt: Das laute, schmerzvolle Jaulen Afras, sowie tausende Schuldgefühle. Die Frage, warum dieser Unfall genau passiert ist, ob ich zu klein war, um mit Afra gassi zu gehen und und und...

Es lässt mich nicht mehr los. Afra hätte sterben können.