Verified Member, glaubst du jetzt eigentlich an den "Bibel-Gott" oder irgendein Wesen/ Geschöpf, losgelöst von der Bibel, das nichts Menschliches an sich hat, aber zuerst da war und irgendwie irgendwas getan hat, so dass alles so entstanden und sich entwickelt hat wie es heute ist? Weil "Gott ist kein Körper" und "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau" (Genesis 1, 27) passt nun nicht ganz zusammen. Mit einem abstrakten "Gott" kommen wahrscheinlich die meisten hier noch klar, immerhin kann auch der Atheist die Nichtexistenz eines Schöpfers nicht beweisen. Weshalb am Ende eigentlich nur Agnostizismus bleibt, wenn man wirklich rein logisch vorgehen will.

Wenn wir jetzt feststellen, dass hinduistische und buddhistische Schriften älter als das Alte Testament sind, frage ich mich manchmal, ob das nicht die "wahren Religion" sein sollten? Vielleicht will "Gott" die Menschen aber auch nur verwirren. Manche warten auf einen Messias, die anderen haben ihn gefunden, manche lesen den Koran, andere die Bibel. Da das alles monotheistische Religionen (also Christentum, Judentum und Islam) sind, kann das rein mathematisch nicht aufgehen. Wenn das Bekenntnis zu Jesus (wie bei den meisten freikirchlichen Protestanten üblich) ausreicht, um sich seinen Platz im Himmel zu sichern, frage ich mich weiterhin ab und an, ob das fair ist. Globalisierung hin oder her, aber auch heute noch (und vor allem vor Jahren) konnten Stämme abgeschieden und allein glücklich ihr ganzes Leben miteinander verbringen, ohne auch nur ein Wort von der Bibel gehört zu haben. Wenn ich nun in so einem Stamm geboren wurde, an irgendwelche Gottheiten glaube, die mir überliefert wurden, wäre es doch wirklich gemein, dass ich deshalb nicht in den Himmel komme?

Mit vielen gläubigen Menschen kann man diskutieren und Erfahrungen austauschen, man kann auch den anderen Glauben akzeptieren und respektieren und sollte das auch, aber meine Grenze (und die von den meisten Menschen wahrscheinlich) ist an dem Punkt erreicht, an dem man nicht mehr nur mit gläubigen Menschen diskutiert, sondern mit Kreationisten. Wenn man sich Religion nun aber mit purer Kausalität beweist - der unbewegte Beweger - actio/ reactio -, dann kann ich das persönlich noch ganz gut nachvollziehen, weil es einfach menschlich ist und aus den eigenen Wahrnehmungen resultiert. Wenn mir jetzt aber jemand erzählt, Adam war der erste Mensch und Eva wurde aus seiner Rippe erschaffen, dann komm ich irgendwie an den Punkt, wo mir jegliches Verständnis unter Berücksichtigung von gesicherten (natürlich in Augen von Kreationisten nicht gesicherten) Erkenntnissen bezüglich Evolution und Astrophysik fehlt. Vielleicht tust du das nun, wie Kurzzeit-Kreationisten damit ab, dass "Gott den Kosmos vor X Jahren geschaffen (also vor 10.000 oder so, wenn das hinkommt) hat, ihn aber so erschaffen hat, dass wir denken, dass er viel älter ist". Dann muss ich ganz klar sagen, an einen Gott, der mich verarscht und in die Irre führt, und zwar so extrem, an den will ich gar nicht glauben. Ich habe genügend Probleme im Alltag, da wäre es hilfreicher, mir etwas entgegenzukommen.

Wenn man jetzt noch behauptet, dass alle wissenschaftlichen Erkenntnisse Humbug sind und eine ganz groß angelegte Verschwörung, dann kommt man natürlich an einen Punkt, an dem man hier gar nicht mehr diskutieren kann, selbst wenn man möchte. "Wenn du mir nicht glaubst, dann irrst du und im Endeffekt musst du sogar Teil der Verschwörung sein!" Gespräch beendet. Im Endeffekt gefällt mir die Argumentation, also die Erste, sogar ganz gut, auch wenn ich sie nicht glaube, spiegelt sie doch sehr stark einen meiner Lieblingssätze zum Thema Religiosität und Glauben von Bertrand Russell "Ich glaube übrigens, dass das gesamte Universum mitsamt allen unseren Erinnerungen, Theorien und Religionen vor 20 Minuten vom Gott Quitzlipochtli erschaffen wurde. Wer kann mir das Gegenteil beweisen?"

Manchen scheinen die von Freud diagnostizierten Kränkungen der Menschheit ganz schön zugesetzt zu haben und mittlerweile sind noch ein paar dazu gekommen (s. Gerhard Vollmer).

Manchmal denke ich, dass man mit der Pascalschen Wette, also dass man lieber glauben sollte als nicht, denn dann verliert man nichts, eigentlich ganz gut fährt. Allerdings ist mir das zu billig und wenn es einen Gott geben sollte, wäre ich sehr enttäuscht, wenn er meine niedrigen Beweggründe nicht sehen würde und mich am Ende genauso belohnen würde wie wirklich Gläubige.

Religion in allen Ehren und jeder soll glauben, was er will. Das wäre eine wunderbare Maxime, allerdings hat sich in den letzten Jahrhunderten immer wieder gezeigt, dass Religion Ursprung vieler gewaltsamer, brutaler und unmenschlicher Auseinandersetzungen war und noch immer ist, weil Religion und Fanatismus sehr nah beieinander liegen. Mit irgendeiner abstrakten göttlichen Vorstellung kann ich mich anfreunden, wenn es aber eine biblische Überzeugung ist, dann kann ich es nicht mehr. Einen Gott, der sich um Quasten an den Kleidern schert, ist mir irgendwie suspekt. "Und der HERR sprach zu Mose: Rede mit den Kindern Israel und sprich zu ihnen, daß sie sich Quasten machen an den Zipfeln ihrer Kleider samt allen ihren Nachkommen, und blaue Schnüre auf die Quasten an die Zipfel tun" (4. Buch Mose). Jesus als historische Gestalt mag ich auch. Der hat kluge Dinge gesagt, gerade für die damalige Zeit. Glaube sogar, dass der existiert hat. Für mich nur kein Messias, kein menschlicher Gott, sondern nur ein Mensch (in etwa so wie Judas ihn in Jesus Christ Superstar sieht).

(Am Ende ist die Diskussion vom Hauptthema aber in den letzten Posts etwas abgewichen...)


Bearbeitet von Jag (29.05.2015, 21:35:47)
Bearbeitungsgrund: Betreff angepasst.