Antwort auf: Burning the masses
Dann erkläre mir, wieso die Christen Gottes Sohn kreuzigen?


Gern:

Die "Christen" gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, Jesus selbst war Jude. Eben diese Religion war zu diesem Zeitpunkt stark verbreitet. Die Röme sahen in Jesus von Nazareth eine Gefahr, denn er hatte politischen Einfluss. Außerdem verbreitete er einen "Unglauben", eine neue Religion, die so ganz und gar nicht mit dem konform war, was die Pharisäer in ihren Tempeln predigten.

Kurz: Nicht die Christen kreuzigten Jesus, sondern die römische Regierung (hier: Pontius Pilatus, der Stadthalter), da sie in ihm eine politische Bedrohung sahen. Eine "neue Religion" (wenngleich Jesus das Judentum nur refomieren wollte) könnte eine Umwälzung der Machtverhältnisse zur Folge haben. Das war natürlich so gar nicht im Interesse vom Kaiser Augustus.

Antwort auf: Burning the masses

Und was hat es mit den ganzen Widersprüchen in der Bibel auf sich? Die momentane Bibel ist doch ein Produkt menschlich manifestierter Weitergebungen, die sich bei genauem Durchlesen widersprechen. Ist der Ur-Christentum tot? Kommt jeder, der an die gefälschte Bibel glaubt, ins Feuer?


Die Bibel weißt durchaus Widersprüche auf. Zu aller erst: Die Bibel ist kein Buch der Wahrheiten. Sie ist eine Sammlung historischer Texte unterschiedlichster Jahrhunderte und aus noch unterschiedlicheren Quellen. Sie ist von Menschenhand geschrieben und speziell die Evangelien sind erst viele (teilweise hundert Jahre) nach dem Tod von Jesus Christus aufgeschrieben worden. Zahlreiche Male hat man sie von Generation zu Generation weitererzählt, diese "Wundergeschichten" oder "Gleichnisse", wie wir sie auch nennen.

Die Bibel ist ein Indikator, der erklären kann, wie Menschen vor vielen Jahrtausenden dachten, lebten, fühlten. Man kann politische Einflüsse an ihr ablesen oder gar manipulatives Verhalten. Es ist oftmals ersichtlich, in welchen Texten "herumgefuscht" wurde und mit welchen Motivationen, denn die Texte stehen nicht als einzelne für sich, es gibt in genügend andere Quellen aus ähnlicher Zeit. So kann man im Gesamtkanon Unterschiede entdecken und nach dem "Warum" forschen.

Dies geschieht auf wissenschaftlicher Basis und hat mit "Glauben" als solchen, nichts zu tun.

Die Christen glauben nicht an die Bibel, sondern an die Botschaft Gottes. An Ideale wie Nächstenliebe, Vergebung und Gnade. An eine Erlösung nach dem Tod und ein ewiges Leben. - Deshalb gibt es hier auch keinen Widerspruch. Die Bibel ist zwar oftmals Objekt der instrumentarischen Exegese, keinesfalls aber ein Grunddogma des christlichen Glaubens.

Denn auch die Bibel wurde von Menschenhand auf verschiedenen Konzilen zusammengefügt. Dort wurde ihr Repertoire definiert. Martin Luther selbst hat zu Lebzeiten die Zehn Gebote verändert und eines gänzlich gestrichen und durch ein anderes ersetzt. Somit ist die Bibel als reine Glaubensgrundlage als kritisch zu betrachten, da sie Unbeständigkeiten und Unregelmäßigkeiten aufweist.

Die Bibel ist bloß eines von vielen Geschichtsbüchern, die versuchen die Entstehungsgeschichte der christlichen Religion zu beschreiben. Ihre Glaubhaftigkeit und ihre Quellen müssen ebenso kritisch hinterfragt werden, wie jede andere historische Quelle auch. Dies ist unter anderem Pflicht und Aufgabe der Theologie.

Und um auf Dich zurück zu kommen: Nirgendswo steht geschrieben, dass Du ins Fegefeuer kommst, wenn Du nicht an die Bibel glaubst.

Fragen beantwortet? - Bei Bedarf kann ich Dir gerne tiefere Einblicke in bestimmte Schriftstücke geben und auf Detailfragen eingehen. Diese sind dann im Chat möglicherweise besser aufgehoben als hier, da es den allgemeinen Rahmen der Grunddebatte "Ob Gott existiert" wenig dienlich wäre.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass Dich die Bibelforschung näher zu Gott führt... ;-)


Bearbeitet von Allrounder2006 (20.09.2011, 13:06:04)
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