Intri 4
"Du bist schuld, dass unser Kind so ist!"
"Ich? Schau dich an, du Säufer!"
Wieder dieser fürchterliche Traum. Ihre Eltern hatten sich oft gestritten. Ihre Mutter, die Ignoranz, und ihr Vater, die Verzweiflung, hatten sich seit ihrer Geburt nicht mehr verstanden. Antropomorphes Geschirr ging zu Bruch, und sie fing sich ein imaginäres blaues Auge ein, das sich viel zu real anfühlte. Erträumtes Geschrei und vorgestellte Handgreiflichkeiten. Der Alptraum eines jeden Kindes, ob real oder nicht...
Das Klopfen an der Tür riss sie jäh in die Realität zurück. Die Menschheit schrieb das Jahr 1933, sie befand sich in Deutschland. Der Raum war spärlich eingerichtet, an der Wand hing ein Bild von Satans neuem Schützling, Adolf. Komischer Mann, Intri mochte ihn irgendwie gut leiden. Wie sich herausstellte, hatten sie mehr gemein, als sie sich am Anfang hätte träumen lassen. Doch er war zu sehr auf seine Karriere fixiert, außerdem konnten antropomorphe Personifizierungen nur andere antropomorphe Personifizierungen heiraten, so wollte es das Gesetz des Glaubens.
Wieder kopfte es, diesmal wies die Art und Weise darauf hin, dass es das letzte Mal sein würde. "Frau Braun, es ist so weit. Sind Sie so weit? Man erwartet Sie bereits! Der Führer hat bereits zum dritten Mal nach Ihnen geschickt."
"Ich komme."
Damit schien sich die Ursache der Stimme, es mochte sich um Joseph handeln, zufrieden zu geben. Sie hörte, wie sich Schritte schwerer Stiefel entfernten. Sie hatte die Rolle seiner weiblichen Gesellschaft angenommen, um Satans Auftrag gewissenhaft ausführen zu können.
Ein Blick in den Spiegel war nicht nötig. Die Intriganz war stets in Gestalt einer hinreißenden Blondine in Sekretärinnenanzug und Minirock erschienen, eine dicke Hornbrille vervollständigte das Bild. Intri verließ den Raum und begab sich zur großen Halle. Überall wurde sie von Braununiformierten höflich gegrüßt. Angehörige von Partei und SS. Intri mochte keine Fingerpuppen, die nur Nachrichten weiterleiteten, im weitesten Sinne, sie waren nur Mittel zum Zweck. Außerdem wäre sie wohl als Königin gefeiert worden, wenn man gewusst hätte... dass sie die ganze Nacht heimlich damit verbracht hatte, Stimmzettel zu fälschen.
Endlich in der Halle angekommen machte man ihr Platz, und schließlich gesellte sie sich zu "ihrem Mann der Stunde."
"Da bist du ja endlich, Liebste. Gleich! Gleich ist es so weit." Er war unheimlich, vor allem wenn er sich auf etwas freute wie ein Kind am Christbaum.
"Ja!"
"Und mit eindeutiger Mehrheit neuer Reichskanzler ist Adol..." Die Verlesung des Namens ging im aufbrausenden Beifall unter, und sie feierten...
"Frau Braun, Sie können stolz auf ihn sein!"
"Frau Braun, ich freue mich für Sie beide!"
"Danke. Danke... Danke. Sie entschuldigen mich."
Intri zog sich unauffällig zurück, immerhin waren alle damit beschäftigt, ihren nicht-mehr-Verlobten zu feiern.
"Satan, ich bin hier fertig. Was ist mit dem Urlaub, den du mir versprochen hast?"
In ihrem Kopf erklang die Stimme ihres Vorgesetzten. Einem Sterblichen wäre der Schädel geplatzt, doch sie bekam davon lediglich ein Fiepen in den Ohren.
DAS HAST DU SEHR GUT GEMACHT, INTRI. SELBSTVERSTÄNDLICH BEKOMMST DU URLAUB.
Das erste Mal seit ihrem Auszug von zu Hause freute sie sich wieder.