In der ZEIT hab ich in der aktuellen Ausgabe wieder diese unsägliche Debatte über einen „gerechten Krieg“ verfolgen dürfen – im Ressort „Glauben & Zweifeln“. Vielmehr, so denke ich, gehört diese Frage, wenn überhaupt, in das Ressort „Philosophie“. Und dann darf sich nicht mehr die Frage nach einem gerechten Krieg gestellt werden, sondern, ob man sich überhaupt einmischen darf.

Darf man sich einmischen, wenn man sieht, dass andere Länder beziehungsweise Völker eine andere Definition der Menschenwürde haben als wir, nur weil wir denken, unser Menschenbild sei das absolut richtige? Diese Frage stellt sich nicht allein aus aktuellem Anlass. Generell muss man sich hierzulande beziehungsweise generell in allen Staaten mit identischem Menschenbild die Frage stellen, ob ein Axiom, das autonom begründet und daher de facto durch seine Abstraktion „unfalsifizierbar“ ist, ein hinreichender Beweggrund sein kann, andere Menschenbilder zu verurteilen und diese als falsch oder böse zu bezeichnen, wohingegen wir uns in unserer Menschenbild-Anbetung nicht ein Wort reinreden lassen.

Natürlich, wird nun jeder vernünftige Mensch sagen, muss man eingreifen, wenn man sieht, wie hier und dort die Menschen so schlecht behandelt und gefoltert werden. Allerdings, kann man einwenden, gibt es auch historische Beispiele dafür, wozu das alles führen kann – nämlich mitunter zum Weltkrieg, wie man am Verlauf der 30er- und 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts sehen kann.

Fand Hitler, dass die Bevölkerung die Juden unangemessen behandelte und griff radikal und mordend durch, während er dies in seinem Menschenbild als vollkommen legitim und gut ansah, fanden die Alliierten wiederum, dass Hitler lediglich eine menschenverachtende ethnische Säuberung vornahm. Tja, aus heutiger Sicht mag dieser Fall glasklar auf der Hand liegen (und da würde ich keinem widersprechen).

Nichtsdestotrotz ist es doch äußerst fraglich, wenn man – die eigene unbegründbare Maxime stolz auf der anschwellenden Brust platziert – anderen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen der Erde mit einer völlig unterschiedlichen Historie militärisch klarmacht, dass die eigene Unbegründbarkeit besser ist als die ihrige. Dabei ist nicht nur das Menschenbild unbegründbar – auch das „Gute“ ist reine Definitionssache.

Aber uns scheint das nicht einleuchten zu wollen. Selbstverständlich ist es legitim, misanthropische Menschenbilder, Mord, Folter und Verfolgung einzelner Bevölkerungsgruppen zu verurteilen. Natürlich darf man mit Fug und Recht behaupten, dass das eigene Bild des Menschen, die Achtung seiner Würde in unserem Dunstkreis viel lebenswürdigere Verhältnisse schafft und besser funktioniert.

Was man aber nicht darf, ist, mit allein dieser Ansicht, diesem scheinbaren „Argument“, militärisch zu intervenieren. Mit der gegenteiligen Argumentation rechtfertigen Terroristen nämlich ihre Anschläge, begründen religiöse Fundamentalisten Ehrenmorde. Wollen wir auf dieser Ebene stehen?

Zwielichtige Sache. Ideal oder Mitgefühl.
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hach. <3
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»Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und
keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.«
Kurt Marti