Intri 2

"Du weißt, warum du hier bist." Es klang mehr nach einer Frage, obwohl es viel mehr eine Feststellung des Offensichtlichen war. Ihr gegenüber wirkte leicht nervös, oder es lag daran, dass sein Blick ihre Augen leicht verfehlte. Intri erschien Sterblichen immer als attraktive blonde Jungfer, das Bild erfüllte meistens seinen Zweck. Außerdem stellten sich die Menschen so die Intriganz vor. Wer war sie, dass sie ihnen diesen Wunsch nicht erfüllte...
"Ja. Du hast einen Auftrag für mich." Auch das klang mehr nach einer Frage als einer Äußerung von Gewissheit. Intri beschloss, zur Sache zu kommen.
"Du begibst dich mit deinem Werkzeug zum Grabe von Jesus Christus und schreibst meinen Namen darauf. Ich nehme an, ich kann mich auf dich verlassen, wenn man die Bezahlung bedenkt." Sie warf ihm einen Beutel zu, in dem es metallisch klimperte, den er mit Freuden auffing. Sie sprach zu Sterblichen gern von oben herab, so verlangte es die Ehre einer Lüge. Er nickte eifrig. "Geh."

Er ging. Die Sonne brannte heiß auf die Steppe von Jerusalem, und der Wind brachte statt Kühle schneidenden Sand mit sich. Irgendwie war die Hübsche an den Aufenthaltsort des Grabes gekommen, einer Höhle abseits der Karawanen. Doch zuerst musste er auf den Grabhügel, wo noch das Kreuz stand, an dem der angebliche Sohn Gottes gestorben war. Die Leichen, zwei Übeltäter wurden mit ihm gekreuzigt, waren weggeschafft worden. Nur Blutspuren und der zertampelte Boden erinnerten an das Ereignis. Aber schließlich war er zum Arbeiten hier!
Geübt zückte er sein Werkzeug und fing an, INTRI in das Kreuz Jesu zu schlagen. Zuerst das I, das N...
"David?" Eine junge weibliche Stimme lenkte ihn ab und riss ihn jäh aus seiner Konzentration.
"Katharina. Ich arbeite! Wieso bist du nicht zu Hause und..."
"Du..." sie schluchzte, "du warst plötzlich weg und ich war so alleine und und und... ich bin dir gefolgt!" plapperte die Kleine. "Ich... hab mein Bruderherz vermisst!"
Er seufzte. "Ich arbeite. Es ist wirklich wichtig, ja? Warte da drüben. Ich bin ja gleich fertig."
"Gut." Mit leisem Schniefen trottete das Mädchen zu einem großen Stein und ließ sich darauf nieder. Wo war er nur stehen geblieben? Wie hieß diese blonde Schönheit noch einmal, bei der er jedes mal das Gefühl hatte, sie würde ihm mit ihrer bloßen Stimme das Herz aus der Brust schneiden...
"Na bestens." R und I. Fertig. "Gehen wir, geliebte Schwester.

Als die Geschwister in Richtung Jerusalem in der Ferne kleiner wurden, fragte sie: "Bist du jetzt eigentlich ein Grabräuber, Brüderchen?"
"Ja... ja. Das bin ich jetzt wohl. Aber wen kümmerts... der Kerl wird ja wohl kaum wiederauferstehen, um sich zu beklagen."