Halloween fiel dieses Jahr auf einen Freitag. Maria saß auf dem Sofa und langweilte sich. Ihre Klassenkameraden schmissen gerade eine Halloween-Party, mit Verkleiden, Nachbarn erschrecken und vermutlich jeder Menge Alkohol. Maria wollte nicht zu der Party gehen. Sie fand es fies, andere Leute zu erschrecken und noch mehr hasste sie besoffene Schulfreunde. Deshalb hatte sie sich entschlossen, für heute Abend ihren Freund einzuladen und mit ihm einen gemütlichen Abend vor der Glotze zu verbringen. Sie war Ende 13, ihr Freund Christian 16. Um 10 wollte er kommen, da Marias Eltern über das Wochenende eine Einladung von Freunden angenommen haben und sich nun auf einem Segeltörn befanden.
Um 10... jetzt war es grade mal halb 9. Noch so lange Zeit, die Maria irgendwie rumbringen musste. Sie schnappte sich die Fernbedienung und schaltete ein. Addams Family, na gut, die waren wenigstens noch einigermaßen komisch. Doch als Maria in die Fernsehzeitung sah und sich das Programm der Privatsender zur späteren Stunde anschaute, schüttelte sie mit dem Kopf. 'Halloween - Die Nacht des Grauens' wurde ausgestrahlt. Und parallel auf einem Konkurrenzsender ein Film, der den blöden Namen 'Prom Night - Die Nacht des Schlächters' hatte. Nein, für solche Filme hatte Maria nun wirklich nichts übrig. Ihr Freund stand auf sowas. Mit ihm hatte sie vor etwa einem Monat den Film 'Freitag der 13.' gesehen und es war ihr beinahe hochgekommen. 'Wozu solche Filme nur gut sein mögen' murmelte sie, schaltete gefrustet wieder ab und ging die Treppe zum ersten Stock des Hauses hinauf.
Ihre Eltern hatten das alte Haus vor drei Jahren von Marias Oma geerbt, seitdem wohnten sie hier in diesem Kaff, in dem nichts los war. Na gut, Christian war spitze und auch auf ein paar andere Leute aus ihrer Schule wollte sie nicht verzichten, dennoch war sie mehr ein Stadtmensch. Sie sah aus dem Fenster. Obwohl es erst viertel vor 9 war, war es draußen bereits stockdunkel. Noch eine Stunde und 15 Minuten... War da nicht etwas an der Tür ? Maria schreckte aus ihren Gedanken hoch und lief zur Haustür. Doch als sie dort ankam, konnte sie nichts Verdächtiges entdecken. Die Kette war vorgelegt und es gab keinerlei Anzeichen, dass jemand versucht hatte, hier reinzukommen. Maria ging zu dem großen Fenster neben der Tür und schaute auch hier hinaus. Sie konnte genau auf die Halloween-Dekoration des Nachbarhauses sehen. Ausgehöhlte Kürbisse starrten sie an, eine Hexe aus Pappe schien sie auszulachen, und ein kleiner boshafter Teufel sah regelrecht so aus, als wolle er sagen 'Du, kleines Mädchen, lebst nicht mehr lange' . 'Blödsinn', sagte Maria laut zu sich und schaute auf ihre Armbanduhr. 9 Uhr war es jetzt. Eine Stunde noch, dann war sie endlich nicht mehr allein. Zehn nach neun. Maria wurde langsam unruhig. Zwar sagte sie sich immer wieder, dass es keinen Grund gebe, kribbelig zu werden, doch sie konnte keine 3 Minuten durchhalten, ohne zur Uhr zu sehen und Christian herbeizuwünschen. Sie hatte keine konkrete Angst, nein, keine Vorahnung, dass gleich ein Einbrecher ihre Wohnung stürmen würde, es war einfach nur so ein ungutes Gefühl vor nichts bestimmtem.
Maria war in schlechter Stimmung. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück, schaltete den Fernseher an und zuckte zusammen. Auf dem Bildschirm war nähmlich gerade in Großaufnahme ein Typ zu sehen, der sein Gesicht hinter einer weißen Maske versteckte. 'Sehen sie heute um 23.40 Uhr den Klassiker des Horrorfilms: Halloween - Die Nacht des Grauens. Mit Jamie Lee Curtis und Donald Pleasence in den Hauptrollen'. Erschrocken schaltete Maria weiter. 'Donald Pleasence', murmelte sie, 'irgendwie passt der Name nicht zu dem eben gezeigten Schauspieler. Unter Donald Pleasence würde ich mir eher einen etwas dicklichen Typen vorstellen, vielleicht einen Psychiater... Scheiß Filme, stimmen nicht mal die Namen ordentlich ab'.
Nun ist es zwanzig nach 9. Maria wollte gerade ihre Beine auf den kleinen Couchtisch legen, da hörte sie wieder ein Geräusch an der Tür. Diesmal rannte sie nicht so schnell zum Ort des Geschehens. Sie blieb still sitzen, rührte sich nicht und lauschte. Ganz deutlich hörte sie, wie sich jemand an dem Schloss zu schaffen machte. Doch nach etwa einer halben Minute war alles wieder leise. 'Wenn das ein Halloweengag von meinem verrückten, horrorliebenden Freund ist, werde ich auch zur Killerin', dachte sie und stand langsam auf. Je mehr sie darüber nachdachte, um so sicherer war sie sich, dass Christian vor der Tür stand. Er liebte Horrorfilme. Er liebte Thrill und Suspense. Und warum sollte sich jemand am Schloss zu schaffen machen und es letztendlich doch nicht knacken? Dies war schließlich ein altes Wohnhaus, keine hypermoderne Bank. Maria sprang mit schnellen Schritten zur Tür und riss sie auf. Doch niemand stand davor.
'Hallo Chrissie, ich hab dich durchschaut', rief sie grinsend in die Nacht hinein und begann, um das Haus herumzulaufen. Doch auch dort fand sie nirgends ihren Christian. Als sie schließlich wieder vor der Tür stand und tief durchatmete, spürte sie plötzlich einen schweren Schlag auf ihren Hinterkopf, alles was danach kam, war ein tiefes, undurchdringliches Schwarz.
Als Maria wieder zu sich kam, wusste sie zuerst gar nicht, was mit ihr passiert war. Ihr Kopf schmerzte, ihre Augen wollten sich irgendwie nicht öffnen lassen. Als sie nach langen Bemühungen ihre Augen endlich aufbekam, sah sie in grelles Scheinwerferlicht. Sie war allein in diesem Zimmer, nein, nicht ganz allein, sie spürte irgendeine Berührung an ihrem Fuß. Mühevoll zwang sie sich, hinunterzuschauen, doch was sie dort sah, ließ sie sofort wieder in Ohnmacht fallen: Zu ihren Füßen lag der Kadaver ihres Freundes Christian, man hatte ihm die Brust aufgeschnitten, offensichtlich sein Herz entfernt und es ihm, wie als Garnierung eines Schweinebratens mit einem Apfel, in den Mund gesteckt.
Als Maria dieses Mal ihr Bewusstsein wiedererlangte, wusste sie sofort, in welcher Lage sie sich befand. Sie hatte nur keine Ahnung, wo sie war. Sie lag auf einer Lichtung im Wald, ganz alleine, überall am Körper hatte sie Schmerzen. Sie lag etwa noch eine halbe Stunde lang regungslos auf der Waldlichtung, nicht fähig sich zu rühren. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke, ein schrecklicher Gedanke. Sie sah an sich herunter. An ihrem Bauch war eine sehr große, offene Wunde, deren Blutung mit dreckigen Verbänden gestillt worden war....(vortsetzung folgt)
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Der Himmel weint in frost'gen Tränen
Langsam sinkt das Abendrot
Engel traurig' Lieder singend
verkünden sie des Drachen Tod