Hey,

in meiner Kindheit war das luzide Träumen bei mir sehr monoton, aber dennoch recht ausgeprägt. Ich versuchte in jeder Nacht, in der ich schlief, in einem Wald vom Boden abzuheben. Bewusst trainierte ich so gut wie jede Nacht, in jedem Traum. Das Ergebnis war fabelhaft. Ich schwebte. Aber wenn die Konzentration nachließ, verließen mich die Kräfte und ich musste vorsichtig zu Boden sinken. Ich wollte immer höher und höher steigen, den finsteren Wald in der dunklen Nacht aus größtmöglicher Höhe betrachten. Das war mein Ziel.

Im Laufe der Jahre verlor ich jedoch das Interesse daran, immer dasselbe zu träumen und musste feststellen, dass mich diese Art des Träumens langsam, aber sicher, verließ.

Vor einem Jahr hatte ich den letzten (sehr extremen) luziden Traum, in dem ich versuchte, das Rätsel meiner Selbst zu lösen. Lange Zeit zuvor war nichts, keine luziden Träume mehr. Es überraschte mich, dass er sich so lautstark zurückmeldete.

Ich war an dem Tag irgendwie müde und musste abends den Zug nehmen, also haute ich mich am späten Mittag für eine halbe Stunde aufs Ohr. Ich machte meinen CD-Spieler an und stellte ein beruhigendes Lied auf Repeat, bis ich dann schließlich einschlief. Und das ging verdammt schnell. Spätestens nachdem meine Augen zufielen, muss es angefangen haben, da ich ja schon nach dreißig Minuten vollends wach war. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass dieses Lied, das mit metallenen Geräuschen und dieser mit dem Traum assoziierbaren Melodie ausgestattet ist, dazu beitrug, dass ich jenen Traum, den ich steuern konnte, träumte.

Ich möchte nicht genau ins Detail gehen, also erwähne ích auch keine Menschen, die im Traum vorkamen. Ich spielte ein Rollenspiel; ein ziemlich echtes, von dem ich von Anfang an wusste, dass es eines war. Es war ein reelles Rollenspiel mit einer realen Welt und mir bekannten Orten. Nur die Menschen waren neu, sie waren mir fremd, kannten mich aber dennoch. Erst Tage nach dem Traum wurde mir klar, welcher dieser Menschen wer war. Menschen aus meiner Vergangenheit an eben jenen Orten aus meiner Vergangenheit. Anhand der Charakterzüge konnte ich dies herausfinden. Das wäre logisch und übereinstimmend. Mein Ziel war es, so weit wie möglich durch den Traum zu marschieren. Ich unterhielt mich mit jenen Personen und suchte nach einer Lösung, einem Ziel, aber ich kam nicht wirklich weiter. Jede Ebene, die ich absolvierte, ließ mich keinen Zweck erkennen. Unbeirrt fuhr ich aber fort. Als ich bemerkte, dass die Kontrolle schwand, kämpfte ich mit aller Macht dagegen an, nicht vorzeitig aufzuwachen, denn ich hatte doch etwas zu erledigen. Ich war doch auf der Suche nach einer Eingebung, der Wahrheit.

Gefühlte zwei oder drei Minuten fuhr ich mit meinem Rad im Traum und hoffte, dass es nicht enden würde, doch dann geschah es. Ich riss meine Augen auf und verkrampfte vor Schmerzen am ganzen Körper. Nach einigen Augenblicken war dieser Schmerz wieder weg. Genauso abrupt, wie der Traum mir einen Strich durch die Rechnung machte, brach er ab.

Ich war noch den ganzen Tag perplex und überlegte und fragte mich, ob es gewollt war, dass ich nicht weiterfahren konnte. Ob ich zu schwach für die Kontrolle dieses luziden Traums war.

Seit diesem intensiven Traumerlebnis träume ich wieder normal und ab und zu nur leicht luzid.