erst gestern stellte ich erneut mit „Erschrecken“ fest, dass in den ÖPNV das Smartphone in allen Altersklassen ziemlich aktiv genutzt wird — dabei wird gar kein Blick mehr in die nähere Umgebung geworfen.
Warum soll ich mir "die Umgebung" auch angucken, wenn ich eine Strecke seit 15 Jahren täglich fahre? Das ist doch albern, genau wie das "alle 80 Leute im Bus müssen gefälligst miteinander palavern" (was einfach nur ätzend laut ist und dazu führt, dass sich die Leute gegenseitig übertönen müssen, um sich zu verstehen - für mich als geräuschempfindlichen Menschen die pure Hölle, wenn ich mal meine Kopfhörer vergesse).
Mir geht dieser Technik-Pessimismus - insbesondere dieser altkluge, nach unseren eigenen Großeltern klingende Unterton gegen die "Jugend von heute" ganz gewaltig auf den Geist. Und ich frag mich zuweilen wirklich, an welcher Kreuzung meine Generation falsch abgebogen ist, dass aus "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" plötzlich "Kräutertee, Alpenwandern & 21:30 Bettkarte stempeln" geworden ist.
Ich selber bin, was neuere Technik angeht, meistens ein "late adopter", also jemand, der erst ziemlich am Ende eines Zyklus' auf einen "Trend" aufspringt. Was meistens daran liegt, dass neue Technik für mich nicht erschwinglich ist, sodass ich 1-2 Generationen abwarten muss, bis ich mitspielen kann. Dann allerdings gewöhne ich mich erstaunlich schnell um.
Und was neue soziale Medien angeht: da gilt dasselbe, ich "vermeide" sie ziemlich lange, aber irgendwann kriegen sie mich doch. Das gilt für Facebook genau wie für Insta, beides hab ich erst relativ spät registriert. Insta glaube ich sogar erst 2019, oder so. Gegen TikTok wehre ich mich noch immer, aber
das hat eher politische Gründe. Dass der Ami mich ausspäht nehme ich zähneknirschend noch gerade so hin. Der Chinese bekommt von mir zumindest keine Daten auf freiwilliger Ebene.
Welche Auswirkungen habt ihr auf eure Gesundheit, Beziehungen und Produktivität festgestellt?
Als jemand, dem es schwer fällt, real Bindungen oder Kontakte zu Menschen aufzubauen, ist für mich das Internet ein integraler Bestandteil, um überhaupt am sozialen Leben teilzunehmen. Angefangen hat das übrigens Anfang 2005 mit Knuddels.
Virtuell kann ich relativ offen sprechen, an Diskussionen teilnehmen, Spaß haben. Alles, was mir real einfach aufgrund meiner psychischen Gesamtsituation nie möglich war. Ich könnte gar nicht mehr darauf verzichten, ohne zum totalen Eremiten zu werden. Und gerade der Austausch mit anderen hilft mir auch gesundheitlich. Denn mit meinen Problemen bin ich - oh Wunder! - ja doch nicht alleine. Es gibt zu allem Plattformen zum Austausch, wo man sich gegenseitig helfen kann.
Klar, da besteht auch immer das Risiko, dass man an die falsche Person gerät, die einen noch schlimmer den Strudel hinabreißt, aber ganz ehrlich: das Risiko ist bei realen Selbsthilfegruppen noch viel, viel höher.
Was mir an der Dauer-Erreichbarkeit viel eher auf den Keks geht, zum Stichwort
Produktivität: man kommt quasi nicht mehr von der Arbeit weg, weil Chefs die bekloppte Anspruchshaltung entwickelt haben, ihre Lohnempfänger müssten 24/7 erreichbar sein. Da wird man im Krankenstand von seinem Vorgesetzten bei WhatsApp unter Druck gesetzt, genervt, kriegt 2 Stunden nach Schichtende "noch mal schnell was gezeigt". Deswegen kriegt auch von meinen Arbeitskollegen niemand mehr meine Handynummer zukünftig. In meinem Arbeitsvertrag stehen Arbeitszeiten und wenn du mich außerhalb meiner Geschäftszeiten erreichen willst, dann will ich für diese Rufbereitschaft auch bezahlt werden. Mein Frei gehört mir.
Aber meine private Nutzung von sozialen Medien lass' ich mir nicht madig machen.